Surfen auf der Wellenlänge

Das Phänomen der Resonanz in der Kommunikation

Was war zuerst – Huhn oder Ei? Der rhetorische Impuls oder die Kraft der Aufmerksamkeit?

Ein Redner hält eine mitreißende, begeisternde Rede. Das Publikum hängt an seinen Lippen. Diese Aufmerksamkeit beflügelt den Redner weiter, er wird noch eindringlicher. Die Stimmung schaukelt sich hoch. Wer schiebt die Schaukel an? Die Person die spricht – oder das Publikum?

Wir sind geneigt zu sagen: es ist der Performer, der den Zauber der Performance herstellt. Die Sängerin, der Tänzer, die Referentin. Doch wir alle wissen: auch Top-Stars der Bühne liefern mal schwache Abende ab. Hatten sie einen schlechten Tag – oder ein schlechtes Publikum? Viele Künstler berichten, dass es nicht egal ist, wo und vor wem sie auftreten. Ein Saal kann eine besondere Aura erzeugen (etwas die Carnegie Hall in New York oder ein gut eingespielter Jazz-Club). Und auch ein Publikum kann mehr oder weniger aufmerksam oder begeisterungsbereit sein. Und schon entsteht eine andere Stimmung.

Manchmal ist die Stimmung mit Händen zu greifen – wie 1988, als Michael Jackson zum ersten Mal im Münchner Olympiastadion auftrat. Den ganzen Abend über war es schwül gewesen und es zogen dunkle Gewitterwolken über dem Himmel zusammen. Musiker und Fans hofften, dass das Open Air Konzert nicht ins Wasser fallen würde, doch bald roch es schon nach Regen. Das Wunder geschah: die Wolken hielten während der ganzen Show, die elektrisch aufgeladene Luft lud auch die Stimmung im Stadion auf. Jeder Song war eine noch intensivere Wette gegen die drohenden Naturgewalten. Erst genau mit dem Schlussakkord der letzten Zugabe brach das Gewitter los und die Spannung entlud sich. Patschnass aber beseelt strömten die Konzertbesucher nach Hause. Der Abend war so unvergesslich und magisch, dass Jackson darauf bestand, seine nächste Welttournee 1992 an genau diesem Ort zu starten.

Wenn wir auf der Bühne stehen (und das kann auch ein Meetingraum oder eine kleine Runde sein) sollten wir präsent und zugleich demütig sein. Denn ohne Zuhörer, ohne ein Gegenüber sind wir nichts – ein eitles Selbstgespräch. Die räumliche Konstellation kann unser Ego jedoch zum Irrtum verleiten, wir wären wichtiger als die anderen. Wir stehen sichtbar und erhöht, die anderen sitzen. Wir sprechen, die anderen nicht. „Wenn einer eine Ansprache hält, müssen die anderen schweigen. Das ist deine Gelegenheit. Mißbrauche sie.“ riet einst Kurt Tucholsky. Das kann man tun, wird sich aber langfristig nicht lohnen. Niemand füttert gerne Energievampire. Wir wollen uns hingeben, nicht hergeben. Tatsächlich ist auch jeder gelungene Monolog ein Dialog. Eine gute Rede ist wie ein Zwiegespräch mit dem Publikum – mit dem Unterschied, dass nur eine Stimme zu hören ist und die scheinbar passiven Zuhörer nicht nur empfangen sondern auch innerlich mitreden, mitdenken, mitfühlen. Ihre Beteiligung wird nicht hörbar aber spürbar. Wie aber geht so etwas?

Über Resonanz. Schon vor den ersten Worten spüren gute Kommunikatoren ihr Gegenüber und die Stimmung im Raum. Was liegt in der Luft, welcher Impuls will jetzt gesetzt oder nicht gesetzt werden? So stimmen wir uns zusammen ein und stellen – nicht nur über Augenkontakt – Verbindung her. Wir treffen eine Verabredung mit dem Publikum: du und ich, wir erleben heute etwas gemeinsam und es wird gut! Es wird größer als die Summe der Teile weil zwischen und mit uns etwas entsteht.

Mittelmäßige Redner reden nur. Herausragende Redner hören zu – auch beim Sprechen. Das Publikum scheint nichts zu sagen, aber keine Frage: es kommuniziert. Andächtige Lauschen, Husten (es spricht für aufmerksames Zuhören wenn die Huster in die Sprechausen der Redners fallen), Schmunzeln, Lachen, Sekundenschlaf…. jeder denkt irgendetwas. Denken ist wie Sagen nur lautlos; aber nicht unhörbar. Wer seine Antennen ausfährt kann das Publikum denken hören. Wer Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit auch beim Senden ausstrahlt, signalisiert: wir sind trotz Bühne auf Augenhöhe, ich höre euch zu, ich spreche nicht zu euch sondern miteuch. 

Ein Publikum das sich ernstgenommen fühlt, öffnet sich. Nun ist das Publikum beim Redner und der Redner mit allem was er sagt, beim Publikum. Lebendiger Austausch entsteht obwohl nur eine/r aktiv spricht. Das hörbare und unhörbare Geben und Nehmen ist ein energetischer Austausch. Aufmerksamkeit gegen Inspiration. Aufmerksamkeit ist Energie die einen Raum öffnet.

Wenn dieser Austausch dynamisch wird, lässt sich nicht mehr sagen, wer was bewirkt. Ob der Redner mit seinen Worten das Publikum mitreißt, oder ob das Publikum mit seiner Bereitschaft, sich mitreißen zu lassen, den Redner inspiriert und erst dessen rhetorische Leistung ermöglicht. Nicht anders beim Konzert oder jeder künstlerischen Darbietung.

Alle Wirkung in der Rhetorik ist eine Wechselwirkung. 

Warum posieren manche Erfolgsmenschen gerne mit Zigarre? Weil sie das Zähnezeigen wie Sieger aussehen lässt (googel mal Bilder von Ralf Moeller mit Tabaktorpedo im Mund). Dazu ein Experiment: Nimm einen Bleistift quer zwischen die Zähne und zwinge dich so zu einem breiten Grinsen. Wie fühlst du dich? Vermutlich zunächst albern. Aber nach einiger Zeit fragt sich das Kleinhirn ob es einen guten Witz verpasst hat – denn die Lachmuskeln sind aktiviert. Offenbar sind wir in bester Stimmung und wussten es nicht. Also raus mit den Glückshormonen. Die Siegerlächelpose löst reziprok die entsprechenden Gefühle aus. Außen und innen, Mimik und Gemüt beeinflussen einander. Spätestens nach zwei Minuten fühlen wir uns so wie wir aussehen.

Das ist Resonanz mit uns selbst. Das funktioniert auch zwischen Bühne und Publikum. Wie wir hineinrufen, so schallt es zurück. Unsicherheit oder Wohlwollen – jede Empfindung kommt, verstärkt durch alle Anwesenden wieder zu uns zurück. Zum einen körperlich durch den sog. psychorespiratorischen Effekt. Der besagt, dass wir unbewusst imitieren, wem wir zuhören, d.h. wir nehmen die gleiche Muskelstellung im Stimmapparat ein. Spricht jemand angestrengt fühlen wir uns auch so. Ist die Stimme belegt nehmen wir ein Räuspern vorweg. Eine entspannte Stimme entspannt auch uns. So lösen bereits Atmung und Intonation Sympathie oder Antipathie aus.

Zugleich entsteht die Resonanz auf der energetischen Ebene. Die Gefühle und Gedanken – unsere augenblickliche Stimmung sowie unsere ganze innere Ausrichtung – verknüpfen sich mit allen ähnlichen Schwingungsfeldern. Sind wir traurig oder wütend verbinden wir uns mit allen Menschen die in diesem Moment auch gerade Trauer oder Wut empfinden, deshalb können solche Gefühle so mächtig werden. Emotion ist Energie in Bewegung (das Wort Motion in Emotion deutet darauf hin). Gefühle sind ‚bewegend’. Sie lösen über die Spiegelneuronen ähnliche Gefühle in anderen aus bzw. ziehen solche Gefühle magnetisch an. Am positiv ansteckendsten ist Freude. Die ist am besten grundlos, dann wirkt sie omnidirektional. Oder Freude mit Mission oder Inhalt. Die nennen wir Enthusiasmus weil der Inhalt kein Ich ist sondern Freude an etwas. Das Wort Enthusiasmus kommt aus dem Griechischen und bedeutet ‚durch Gott’ was nicht religiös sondern geistig gemeint ist. Etwas Geistiges spricht durch uns, drückt sich in uns und durch uns aus. Das geht am besten wenn das Ego mit seinen oft engen Absichten zur Seite tritt. Oder wie es Meister Eckart so prägnant fasste: Gehe ich aus, geht Gott ein.

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